Mittwoch, 16. April 08
Freiheitsgefühle wie beim Fliegen mit Heißluftballons


Das Schaustellerehepaar Zarnikau aus dem hessischen Wolfhagen wagte vor 20 Jahren den Sprung in die Selbständigkeit.
Schon als kleiner Junge wusste Achim Zarnikau:“ Wenn ich einmal groß bin, werde ich Karussellbesitzer“. Nach dem Abitur ging’s allerdings erst mal an die Uni, nicht auf den Rummelplatz. Dass er sich seinen Traum später mit der „Montgolfière“ doch noch erfüllt hat, davon kann man sich zurzeit auf dem Aalener Frühlingsfest überzeugen.

AALEN „Das Leben von Schaustellern kann man Normalsterblichen schwer begreiflich machen“, findet Achim Zarnikau. Der Tagesablauf sei mit einem normalen Beruf nicht zu vergleichen, das Leben sei völlig unkonventionell. Zehn Monate im Jahr zieht das Schaustellerehepaar Zarnikau mit Wohnwagen und Fahrgeschäft von einem Volksfest zum nächsten. Rund 25 Mal pro Saison wird die „Montgolfière“, ein Karussell mit acht bunten Heißluftballons samt drehbaren Körben, auf- und abgebaut. Bevor Zarnikaus sich im Greut niederließen, waren sie in Erfurt und live dabei, als Thomas Gottschalk dort die „Wetten dass“-Außenwette verlor, weil genügend Erfurter auf den Domplatz kamen, um dort – angefeuert von der Schauspielerin Yvonne Catterfeld – in Badewannen und Waschzubern zu plantschen. Achim Zarnikau hat für seine 15-jährige Tochter Aileen-Norina ein Treffen mit Catterfeld organisiert. „Da war Papa natürlich der Größte“.

Mit sechs Jahren als die Schulzeit begann, kam Aileen-Norina zu einer Pflegefamilie im hessischen Wolfhagen. Dort sind die Zarnikaus- zumindest von Weihnachten bis Mitte Februar zuhause. Heute besucht sie ein Internat. „Wir wollen unserer Tochter schließlich nicht nur einen bunt angemalten Eisenhaufen vererben, sondern auch eine Schulausbildung“, sagt Zarnikau, immer einen lockeren Spruch auf den Lippen.

Er selbst ging nach dem Abitur zur Bundeswehr, dann an die Universität in Münster. Drei Jahre hat er Germanistik, Kunstgeschichte und Publizistik studiert. „Ich wollte Journalist werden und zum Fernsehen gehen“, erzählt er. Auch Bühnenbildner wäre Zarnikau gerne geworden. Doch über einen Studentenjob auf dem Volksfest kam er schließlich zurück zu seinem Kindheitstraum: „Andere Jungs wollten Pilot oder Polizist werden, ich wollte immer Karussellbesitzer sein.“ Selbstständig gemacht hat er sich vor 20 Jahren, zunächst mit einem Ringwurf-Pavillion. Damit waren Zarnikaus Anfang der 90er Jahre auch auf dem Aalener Frühlingsfest. Inzwischen sind sie stolze Karussellbesitzer. „Die Montgolfière haben wir 2000 bauen lassen“, berichtet der Schausteller.
Seine Ehefrau Martina Finke-Zarnikau, gelernte Steuerfachgehilfin, hat sich’s im Kassenhäuschen gemütlich gemacht. An der Wand hängen Bilder von Aileen-Norina, Hund Othello bewacht den „Rotkäppchenkorb“ mit Thermoskanne und anderem Proviant.
Mit freundlichem Singsang preist Finke-Zarnikau die „gemütliche Karussellfahrt für die ganze Familie“ an, verkauft Fahrchips und ist Herrin über die Schaltknöpfe, mit denen sie die Heißluftballons zehn Meter hoch steigen lassen kann. “Unser jüngster Fahrgast war zwei Monate alt, der älteste über 90 Jahre“, beschreibt Finke-Zarnikau die Spannbreite der Volksfestbesucher, die an der „Montgolfière“ Gefallen finden.

Die Zarnikaus genießen das Schaustellerdasein, das selbstbestimmt Arbeiten, das große Freiheitsgefühl. „Meine Frau kann rechnen und ich kann schweißen“, sagt Achim Zarnikau – das passt....


Martina Finke-Zarnikau und Achim Zarnikau ziehen mit ihrer "Montgolfière“ von einem Volksfest zum anderen. Der Name des gemütlichen Karussells für Familien geht zurück auf die französischen Brüder Montgolfier, die im 18. Jahrhundert den Heißluftballon erfunden haben.