22. Februar 08
Wienern für ersten Kirmesglanz
Schausteller bereiten sich auf "Sünne Peider" vor / Alle sehnen den Saisonauftakt herbei.

VON MARC UTHMANN - Versmold. Die letzten Schrauben werden angezogen, an jeder Ecke sorgt der Hochdruckreiniger für den festlichen Glanz. Buden werden geöffnet, in denen die Besitzer geschäftig sortieren und polieren. Die Schausteller haben Versmold besiedelt und bauen in der Stadt ihr Dorf für den traditionellen Jahrmarkt "Sünne Peider" auf. Klaus Rasch aus Oesterweg, stellvertretender Vorsitzender des Bielefelder Schaustellerverbandes, bringt die Erleichterung auf den Punkt, die in seiner Branche herrscht: "Endlich ist die Winterpause vorbei." In Versmold beginnt heute der Kirmesfrühling in NRW.

Saisonauftakt - das gilt auch für Achim Zarnikau und seine Frau Martina. Zum siebten Mal startet das Schaustellerehepaar in Versmold in ein neues Jahr der Volksfeste. "Versmold hat etwas Besonderes. Wenn wir den Wohnwagen zum TÜV bringen und danach hierher fahren, wissen wir: Jetzt geht es wieder los!" Der 48-Jährige fühlt sich wohl auf dem St.Petri-Markt und freut sich, dass sein Fahrgeschäft, die "Montgolfière", immer noch gut angenommen wird. 20 Tonnen Stahl und eine Menge Hydraulik sorgen dafür, dass die Besucher sanft nach oben schweben und über die Stadt blicken können.

..."Im Sommer 2000 haben wir das Fahrgeschäft bekommen", erzählt Achim Zarnikau. Er war allerdings auch schon vorher bei "Sünne Peider" - mit seinem Pavillonstand, an dem man Ringe werfen konnte. Dann wagte das Ehepaar den großen Schritt und schaffte nach langen Beratungen mit einem italienischen Spezialunternehmen das Fahrgeschäft nach Maß an. "Für uns war es wichtig, dass es in einen Tranporter passt und wir es selbst auf- bauen können", sagt der Schausteller. "Wir", das sind er und seine Frau - zu zweit schultert das Unternehmer-Duo die harte Schausteller-Arbeit. Wie viel Geld im Karussell steckt, verrät Zarnikau mit einem Schmunzeln: "Ein hübsches Einfamilienhaus mit Grundstück am See."

"Neben Papas Eisenhaufen eine Schulbildung mitgeben"

...Dieser Stahlkoloss wird im Februar verladen, dann reist das Paar mit seinem Hund im Gepäck durch Deutschland und Holland bis zum Weihnachtsmarkt in Rostock am 23. Dezember. Die 15-jährige Tochter Aileen-Norina besucht ein Internat. "Außer Papas Eisenhaufen wollen wir ihr eine Schulbildung mitgeben", sagt Achim Zarnikau und lacht.

...Als waschechten Schausteller würde sich Achim Zarnikau nicht bezeichnen, obwohl er schon seit 1977 auf Jahrmärkten unterwegs ist. Damals jobbte er in den Ferien bei einem Fahrgeschäft - und blieb dem Gewerbe auch im Studium treu. "Ich habe in Münster Germanistik, Kunstgeschichte und Publizistik belegt", verrät der 48-Jährige.

...Als sich abzeichnete, dass es mit dem angestrebten Medienvolontariat und der Karriere als Journalist schwierig wird, nimmt Zarnikau das Angebot des Schaustellers an und leitet dessen Fahrgeschäft. 1988 macht er sich mit seiner Frau selbständig und reist seither als Unternehmer durch die Lande.

...Sein Zuhause in Wolfhagen bei Kassel sieht er selten - und liebt seinen Beruf doch: "Es ist jeden Tag was Neues. Ich könnte nicht immer im selben Büro auf dieselben Kakteen blicken. Hier treffe ich Menschen und sehe auch in Versmold Familien über die Jahre wachsen." Die "Sünne Peider"-Gäste kennen das humorige Mundwerk von Zarnikau: "Ich frage den eleganten Fahrgast schon mal, ob er glaubt, dass sein Anzug wieder in Mode kommt."

...Achim Zarnikau lacht und wienert weiter an den Leuchten der "Montgolfière". Am Sonntag wird er bis ein Uhr nachts abbauen und Montag weiterziehen - nach Recklinghausen. "Nichts ist schlimmer, als ein Karussell, das stillsteht", sagt er - doch ein wasch- echter Schausteller.

...So wie Jörg Feldmann. In dritter Generation sorgt er dafür, dass sich das Altdeutsche Riesenrad in Versmold dreht - nun schon seit 62 Jahren. "Da steckt Herzblut drin", sagt Feldmann pathetisch, während er einige Schrauben festzieht und fügt an: "Versmold, die erste Kirmes im Jahr - ein Highlight!"

...Worte, die Klaus Rasch gerne hört. Er sieht Petrus zum St.-Petri-Markt auf seiner Seite: "Das Wetter wird gut werden." Es ist angerichtet für den Kirmesfrühling.